Geheimnisvolle Nachtschwärmer - eine Reise in die fabelhafte Welt der Eulen
Ob auf Pullovern, Tassen oder Kissen, als Schlüsselanhänger, Kuscheltier oder Schmuck - seit einigen Jahren sind Eulen allgegenwärtig und aus unserem Leben kaum mehr wegzudenken. Beliebt schon seit Jahrhunderten und Symbolfiguren in Mythen und Legenden - heutzutage genießen die gefiederten Gesellen geradezu Kultstatus.
lly und Grete Wendt waren ebenfalls fasziniert von den geheimnisvollen Nachtschwärmern. Zahlreiche Skizzen und Naturzeichnungen - vermutlich entstanden bei Besuchen in Freiluftgehegen - legen davon Zeugnis ab. So verwundert es nicht, dass Olly Sommer (später Wendt) im Juli 1926 ihre Beobachtungen in Figuren umsetzte. Überhaupt ging es sowohl bei Olly als auch bei Grete Wendt zuweilen „tierisch" zu: Im Firmenkatalog aus dem Jahre 1930 tummeln sich Affen, Elefanten, Bären, Pelikane, Pinguine, Vögel, Störche - und natürlich auch Eulen. Entworfen wurden fünf Figuren sowie ein Hutständer und ein Türklopfer mit Eulenmotiv. Drei Vertreter der fünfköpfigen Eulenfamilie werden - getreu den Originalentwürfen - Mitte Mai ins Sortiment zurückkehren.
JEDE FÜR SICH EINZIGARTIG
Jede einzelne Eule des wieder aufgelegten Trios ist individuell gestaltet und verzückt durch neckische Details. Während die große mit weisem Blick bedächtig einen Kerzenleuchter trägt, schaut die mittlere besonders keck drein. Dabei kann sie - wie auch die große - mal vorwitzig nach vorn, mal verschmitzt nach hinten blicken, denn ihr Kopf ist beweglich, je nach Eulenstimmung. Bis zu 270 Grad können ihre Geschwister in freier Wildbahn den Kopf drehen. Ohne den Körper zu bewegen, gelingt es ihnen ganz leicht, über ihre gegenüberliegende Schulter zu blicken. Die Eulen von Wendt und Kühn sind besonders gelenkig: Sie schaffen sogar eine komplette Umdrehung. Das Eulenkind beeindruckt das jedoch nicht sonderlich, stattdessen scheint es zum ersten Mal die sanft geschwungenen Flügel auszubreiten und sich startklar zu machen für seine Flugpremiere.
Zur Zeichnung oben: Vier fröhliche Eulen - mit Bleistift gezeichnet und in Aquarelltechnik koloriert. Die beeindruckende, fast lebendig wirkende Darstellung stammt aus einem Buch, welches Olly Wendt anlässlich des Geburtstages ihres Mannes Johannes im Jahr 1942 gestaltete. Es entführt in 28 zauberhafte Bildwelten - nicht immer ganz den Originalfiguren getreu, die für die Zeichnungen Modell standen, dafür umso fantasievoller.
TIERISCH MEISTERHAFT
Kaum eine andere Figurengruppe von Wendt und Kühn vereint die Perfektion der Formgebung und Farbgestaltung so eindrucksvoll wie die der Eulen. Ihre aufwendige Bemalung ist einzigartig und macht die Nachtschwärmer zu wahren Meisterwerken figürlicher Handwerkskunst.
Die außergewöhnliche Farbgebung, die den Entwürfen innewohnt, bedarf einer Maltechnik der Extraklasse: Die Figuren werden nahezu vollständig lasierend bemalt. Eine Malweise, die an die Handwerkerinnen höchste Anforderungen stellt und eine äußerst ruhige Hand, langjährige Erfahrung und vor allem bildmalerische Fertigkeiten erfordert. Zunächst erhalten die Eulen im Tauchbad ein einheitlich hellbeiges Federkleid. Dieses wirkt jedoch noch wenig räumlich -Tiefe erzeugt erst die lasierende Bemalung. Mit fast transparent anmutender Farbe, welcher Lack und eine Verdünnung beigemischt werden, wird in bis zu sieben Lagen Farbhauch für Farbhauch aufgetragen. Man könnte meinen, dass verschiedene Farbtöne zum Einsatz kommen, doch der verwendete Farbton ist immer der gleiche. Das Geheimnis: Je mehr Schichten übereinander liegen, umso intensiver wirkt schließlich die Farbe. Bei jeder Wiederholung legt die Malerin den Pinsel ein wenig versetzt auf, sodass ein weicher, harmonischer Fall der Federn entsteht. Behutsam wird so die Farbfülle aufgebaut, die das Gefieder buschig und flauschig wirken lässt. Mit feinstem Pinsel wird zu guter Letzt das gestalterische i-Tüpfelchen gesetzt: Mit winzigen, hauchdünnen Linien bringt die Malerin die für Eulen typische Bauch-Strichelung auf - detailverliebt und realitätsnah, als hätte die Natur Modell gestanden. „Das lasierende Malen ist ein wahrer Traum, es macht richtig Spaß. Die Farbe lebt förmlich", resümiert Katrin Wojtkowiak mit leuchtenden Augen, wenn sie auf das Eulentrio auf ihrem Schreibtisch schaut. Als eine der beiden Produktgestalterinnen bei Wendt und Kühn hat sie sich viele Monate mit den gefiederten Gesellen beschäftigt, sie lieb gewonnen und ist zu einer wahren Eulenexpertin geworden. Gewisse „Vorkenntnisse" gab es schon - pflegte ihre Familie doch vor einigen Jahren einen Waldkauz, der sich beim Zusammenstoß mit einem Auto am Flügel verletzt hatte. „In unserer heimischen Werkstatt kam er wieder zu Kräften und flog schließlich gut erholt davon", berichtet Katrin Wojtkowiak fast ein wenig wehmütig. „Sein Federkleid - jede einzelne Feder fein gemustert und akkurat gelegt - faszinierte mich schon damals. Dies nun bei unseren wieder aufgelegten Eulen umzusetzen, war für mich eine Herzensangelegenheit."
Doch nicht nur die Farbgestaltung zeugt von Exzellenz, auch die Formgebung beeindruckt: Unzählige Schleifgänge lassen aus den symmetrischen Drehteilen in Glocken- oder Ellipsenform einen Korpus entstehen, der die charakteristische Gestalt der Eulen ausmacht. Außerdem sind viele Anschnitte notwendig - zum Beispiel für die Flächen der großen Eulenaugen, die im Gegensatz zu den Augen anderer Vögel starr nach vorne gerichtet sind. Die winzigen Schnäbel der zwei kleineren Nachtschwärmer sowie die Federbüschel am Kopf des Eulenkindes sind aus Reifen gedreht. Die Kunst des Reifendrehens ist weltweit einmalig und typisch für das Erzgebirge. Mit erfahrenem Blick und sicherer Hand arbeitet der Drechsler mithilfe seines Werkzeugs aus einem hölzernen Ring die Kontur der Schnäbel und Büschel heraus. Scheibchenweise werden diese anschließend abgeschnitten. Auch bei den markanten Federbüscheln, die den Kopf der zwei größeren Figuren schmücken, blieb Olly Wendt bei der Gestaltung dem Naturvorbild treu: Ganz sanft geschwungen rahmen sie das Gesicht der Eulen. Ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail - denn gerade diese entzückenden Feinheiten machen die Figuren so einzigartig und liebenswert.
Zur Abbildung oben: In der Dreherei entstehen zunächst glockenförmige Drehteile. Erst durch viele Schleifgänge wird der sanft geschwungene Eulenkörper geformt. Sogenannte Lehren - zum Beispiel für das Bohren und Schleifen - sind dabei nützliche Hilfsmittel.
VON GLÜCK, UNGLÜCK UND WEISHEIT
Doch was fasziniert uns an den Flugkünstlern so sehr, dass sie über alle Zeitepochen hinweg eine symbolträchtige Rolle im Leben der Menschen spielen? Vielleicht liegt es an ihrem freundlichen Äußeren, durch das sie uns eine gewisse Vertrautheit vermitteln. Ihr Gesicht mit dem kleinen Schnabel, den wangenähnlichen Flächen und den großen Augen erinnert an das eines Menschen. Ihr weiches Gefieder und der Federflaum schaffen ein Gefühl der Geborgenheit. Wegen ihres lautlosen Fluges in der Nacht umgab die Eulen schon immer eine Aura des Besonderen, aber auch des Geheimnisvollen. Im Laufe der Zeit wurden ihnen die unterschiedlichsten Eigenschaften zugeschrieben - sie wurden verehrt, bewundert, gefürchtet. Im antiken Griechenland galt der Ruf der Eule als schlechtes Vorzeichen. Im Isergebirge weist ihr Erscheinen am helllichten Tag zum Glück nur auf einen Regenschauer hin. Volksglauben und Symbolik sind oftmals von regionalen Besonderheiten geprägt. So gibt es Gegenden, in denen der Eulenruf nicht ein Unglück, sondern die Geburt eines Kindes ankündigt - zum Beispiel in der Schweizer Region Bern. Kehrt eine Eule in einen Taubenschlag ein, soll sie Glück im Gepäck haben, heißt es. In der westlichen Welt sind die nachtaktiven Vögel vor allem für ihre Weisheit bekannt. Der Überlieferung zufolge soll Athene, die griechische Göttin der Weisheit, stets von einer Eule begleitet worden sein. Nicht selten werden Eulen deshalb auch heute noch gern mit Brille, Doktorhut oder Buch als Zeichen der Gelehrsamkeit dargestellt und sind häufig Patron für Schulen, Universitäten und Buchläden. Auch die wohl bekannteste Film-Eule, die Schneeeule Hedwig des berühmten Zauberlehrlings Harry Potter, rückt die Nacht- schwärmer als gutmütige Wesen ins rechte Licht. Sie ist ihm treue Freundin und zuverlässige Überbringerin von Nachrichten. Auch wir überbringen gute Nachrichten: Mit seinem freundlichen Naturell und seiner charmanten Art ist das Trio von Wendt und Kühn wie gemacht für jeden Eulen-Fan. Und zudem ein wunderbares Geschenk für kluge Köpfe und pfiffige Kerlchen, für kleine Schlaumeier und mutige Weltentdecker. Als besonnene Ratgeber in allen Lebenslagen, für den Scharfblick, der nicht verloren gehen soll, oder als weise Ideengeber am eigenen Arbeitsplatz. Und so werden mit den gefiederten Wiederauflagen mit Sicherheit keine „Eulen nach Athen getragen", sondern Eulen von Grünhainichen in die Herzen von Jung und Alt.
Zur Zeichnung oben: Zahlreiche Skizzen und Naturstudien dokumentieren die intensive Auseinandersetzung der Gestalterinnen mit den faszinierenden Vögeln.
Wussten Sie, dass ...
... es ungefähr 200 verschiedene Eulenarten gibt?
... die weltweit größte Eulenart, der Sibirische Uhu, in Russland lebt und eine Körpergröße von 75 Zentimetern und eine Flügelspannweite von rund 1,70 Metern misst?
... die Zwergohreule, etwa amselgroß, nach dem Sperlingskauz die kleinste europäische Eule ist?
... auf Schildern in Wäldern und auf Wiesen die Eule Naturschutzgebiete ausweist und sie sich diese verantwortungsvolle Aufgabe mit dem Seeadler teilt, der in einigen Bundesländern an ihrer Stelle zum Einsatz kommt?
... das Sprichwort 'Eulen nach Athen tragen' bedeutet, etwas Unsinniges zu tun? Die Münzen der Stadt Athen zeigten auf ihrer Rückseite das Bild einer Eule und wurden aus diesem Grund auch als 'Eulen' bezeichnet. Da Athen - zumindest phasenweise - eine sehr reiche Stadt war, war es unsinnig, noch mehr Gelt dorthin zu tragen.
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