Margarete Kühn - Meisterin der Ornamente
In unserer Reihe mit Porträts historischer Persönlichkeiten aus der fast 100-jährigen Firmengeschichte stellen wir Ihnen heute jene Gestalterin vor, die 1915 gemeinsam mit ihrer Studienfreundin Margarete Wendt die Werkstätten gründete und deren Name seit Anbeginn Teil der Marke ist: Margarete Kühn.
Dresden, Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwischen Barockbauten und Pferdedroschken haben zwei junge Frauen eine schicksalhafte Begegnung. Die 1888 in Leipzig geborene Margarete Kühn studiert von 1907 bis 1910 an der Königlich-Sächsischen Kunstgewerbeakademie in Dresden. Ihre Kommilitonin ist Margarete Wendt, die während ihrer Studienjahre im Haus des Baurats Kühn, Grete Kühns Vater, wohnte. Die beiden jungen Frauen verbindet mehr als nur der gemeinsame Vorname Margarete. Sie eint die Liebe zu schönen Dingen, das Studium der Gestaltung bei Frau Professor Junge und der Wunsch, beruflich auf eigenen Beinen zu stehen. Erste gestalterische Erfolge beflügeln den Unternehmergeist der begabten Künstlerinnen. Und so stürzen sie sich 1915 in ein Abenteuer, das ihr Leben in völlig neue Bahnen lenkt: Gemeinsam gründen sie die Offene Handelsgesellschaft 'M. Wendt & M. Kühn'. Am 2.6.1919 wird dieser Name in 'Wendt & Kühn OHG' geändert.
Die Firmengründung, die uns heute als logischer und vernünftiger Schritt erscheint, war damals, mitten im 1. Weltkrieg, ein gewaltiges Wagnis - besonders für zwei junge, unverheiratete Frauen. Doch mit Unterstützung ihrer Familien gelang den mutigen Gründerinnen schon bald der Durchbruch - das junge Unternehmen florierte und wuchs. Das Anfangssortiment der Firma umfasste Lichterengel, bemalte Truhen, gedrechselte Dosen und Leuchter. Während sich Grete Wendt fast ausschließlich der Figurenbildnerei widmete, bewies Grete Kühn ihre Stärke in der kunstvollen Bemalung von Truhen und Dosen. Mit unverwechselbarem Pinselstrich und reicher Fantasie machte sie aus hölzernen Behältnissen Kunstwerke von hoher Ästhetik und bleibendem Wert. Ihre Motive waren traditionsverbunden und zukunftsweisend zugleich. Grete Kühn bediente sich der folkloristischen Symbolik in Anlehnung an die Überlieferungen der Bauernmalerei und ließ diese mit ihrer formalen gestalterischen Bildung verschmelzen. In den Anfangsjahren des Unternehmens war dieser Stil sehr gefragt und brachte der jungen Firma zahlreiche Aufträge, die im Vergleich zu den figürlichen Arbeiten sogar überwogen.
Am 1. April 1920 verlässt Grete Kühn die Firma. Der Grund liegt in einer Vereinbarung, die die beiden jungen Frauen getroffen hatten: Wenn eine von beiden heiratet, scheidet sie aus der Firma aus. Und bei Grete Kühn war die Liebe wohl stärker. Nach der Hochzeit mit dem Architekten Arnold Lohrisch gründete sie eine Familie und widmete sich beruflich anderweitig der künstlerischen Gestaltung. Die 'Heiratsklausel' erscheint aus heutiger Sicht etwas ungewöhnlich. Zur damaligen Zeit machte sie durchaus Sinn. Denn durch diese Abmachung stellten die beiden Firmengründerinnen sicher, dass das Unternehmen stets vor dem Zugriff durch Außenstehende bewahrt blieb. Eine Entscheidung, die für die konsequente Fortführung der unverwechselbaren Handschrift und Integrität der Firma Wendt und Kühn von grundlegender Bedeutung war.
Der Name Kühn blieb im Firmennamen weiterhin verankert, da dieser bereits fest am Markt etabliert war. Der Firma war Grete Lohrisch-Kühn ein Leben lang verbunden. Zusammen mit ihren drei Kindern kam sie oft nach Grünhainichen zu Besuch. Mit Grete Wendt unterhielt sie einen regen Briefwechsel, in dem sie den Werdegang des Unternehmens mit Aufmerksamkeit, Rat und Anteilnahme verfolgte.
In ihrer weiteren beruflichen Laufbahn blieb Grete Lohrisch-Kühn ihrem typischen Malstil treu. 1920 eröffnete sie in Chemnitz eine 'Werkstatt für feingemaltes Holzgerät und Spielzeug'. Das Sortiment umfasste neben Puppenwiegen und -bettchen auch Gebrauchsgegenstände wie Nähkästen, Serviettenringe und Eierbecher. Im 2. Weltkrieg fiel ihre Werkstatt den Bombenangriffen zum Opfer. Nach 1945 wagte die Unternehmerin in Augustusburg bei Grünhainichen einen Neuanfang. In ihrer Kunstwerkstatt produzierte sie unter anderem Räuchermännchen, Spandosen, Holzostereier und reich bemalte Engel. Nach dem Tod ihres Mannes und ihrem altersbedingten Ausscheiden veräußerte Grete Kühn die Firma und zog zu ihrer Tochter nach Laubach bei Gießen, wo sie 1977 im Alter von 88 Jahren starb. Ihr Name und ihre Inspiration jedoch leben unverändert fort - im weltweit bekannten Markennamen Wendt und Kühn.
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