Wendt und Kühn - Holz braucht Zeit

Figuren aus Holz. Aus gutem Holz. Ein vielseitiger Werkstoff von einzigartiger Beschaffenheit, der die Ausdruckskraft und Dynamik der gedrechselten Figuren von Wendt und Kühn erst ermöglicht. Doch was sind die Besonderheiten des Materials, das so wunderbar wandelbar und zugleich von zeitloser Schönheit ist, das Figuren lebendig macht und selbst ein Teil des Lebens ist? Drechslermeister Roland Stanzel lädt uns ein in heilige Hallen und lüftet das Geheimnis des Werkstoffes Holz - im wahrsten Sinne des Wortes. Ein frischer Frühlingswind pfeift den Hang hinunter, als Roland Stanzel das Tor zur großen Holzlagerhalle öffnet. Sie ist - wie sollte es anders sein - komplett aus Holz gebaut. "So wollte es Hans Wendt, als er das neue Lager 1993 errichten ließ", erzählt der Drechslermeister. "Holz gehört zu Holz." Im Inneren ist das Holz fein säuberlich gestapelt. Noch ist Platz für weiteren Vorrat. "Das ändert sich bis zum Sommer", erklärt der Holzexperte. "Dann ist der Raum voll bis unters Dach." Der Bedarf für zwei Jahre wird hier gelagert, jede Holzstärke hat einen eigenen Stapel. Aufgeschnittene Stämme sind als Bretter und Pfosten auf Latten aufgeschichtet, sodass der Wind hindurch streichen kann. Hier bei Wendt und Kühn wird das Holz luftgetrocknet, ganz natürlich, wie unter freiem Himmel.

Das spürt man, wenn man in der Halle steht. Die Wände sind nicht geschlossen, sondern aus Lamellen gefertigt, und das Gebäude ist so ausgerichtet, dass der Wind optimal hindurchweht. So entsteht ein Raum, in dem praktisch Außenklima herrscht, in dem das Holz aber dennoch vor Schnee und Regen geschützt ist. Beste Bedingungen für eine schonende Trocknung. "Die Freilufttrocknung braucht Geduld. Wir geben dem Holz die Zeit, die es braucht", erklärt Roland Stanzel. Ein Jahr Trockenzeit pro Zentimeter Dicke von jeder Seite, lautet die Faustregel. Zwölf Monate lang trocknet das Holz, das bei Wendt und Kühn verarbeitet wird, im Freiluftbereich. Danach hat es noch 15 bis 20 Prozent relative Holzfeuchte. Für die Fertigung der Figuren ist das allerdings immer noch zu viel. Deshalb gibt es nebenan, hinter einem schweren, drei Meter hohen Schiebetor, noch einen weiteren Bereich: den Trockenraum. Hier befinden sich 48 Palettenstellplätze mit auf einen Meter Länge geschnittenen Holzstücken. Nummeriert, nach Holzsorten und -stärken sortiert. Denn alle Holzarten, die bei Wendt und Kühn zum Einsatz kommen, müssen jederzeit in getrocknetem Zustand verfügbar sein. Darüber wacht Roland Stanzel mit seinem Mitarbeiter Andreas Wiegner, der nicht nur den Bestand immer im Blick hat, sondern auch die Balken auf die richtige Länge zum Trocknen sägt, Gabelstapler fährt und die Loren bestückt, die das Holz auf Schienen in die Trockenkammern bringen.

Die beiden Kammern sind die Herzstücke des beheizten Trockenbereichs. Hier wird ganz gezielt ein stabiles Klima erzeugt - mit Wärme, Wind und Luftfeuchtigkeit. Wie in der Natur. Immer wieder wird der Feuchtigkeitsgehalt direkt im Holz gemessen, bis es auf acht bis zehn Prozent relative Feuchtigkeit heruntergetrocknet ist. Das entspricht in etwa dem Klima, das in einer Wohnung herrscht - und darauf muss das Holz vorbereitet werden. "Die Figuren, die aus dem Holz entstehen, werden ihr Leben in Wohnräumen verbringen. Deshalb müssen wir das Holz so trocknen, dass es sich unter diesen Bedingungen optimal verhält", erklärt Holzexperte Stanzel. Und er hat noch einen wichtigen Tipp: "Entscheidend ist, dass diese klimatischen Bedingungen für die Figuren immer beibehalten werden, denn das Holz nimmt auch später noch Feuchtigkeit aus der Umgebung auf. Wer also die Figuren in ungeheizten oder feuchten Räumen wie im Keller oder auf dem Dachboden lagert, riskiert, dass das Holz arbeitet. Dadurch kann zum Beispiel der Lack abplatzen oder Leimstellen können sich lösen. Am besten ist es, wenn man die Figuren immer in der Wohnung aufbewahrt."

In guter Tradition

Mit der Entscheidung, ihre Entwürfe als Holzfiguren zu fertigen, folgte Firmengründerin Grete Wendt der Berufung ihres Vaters. Albert Wendt war 35 Jahre lang Direktor der Grünhainichener Gewerbeschule. Schon als junges Mädchen kam Grete Wendt so mit dem Werkstoff Holz in Kontakt und verbrachte viele Stunden in den Werkstätten der Grünhainichener Holzspielzeugmacher. Drechseln und Schnitzen waren ihr sozusagen in die Wiege gelegt. Und doch gelang es ihr, sich von den Überlieferungen zu lösen und ihren Figuren einen ganz eigenen Ausdruck und eine unverwechselbare Formensprache zu geben. Dies schaffte sie durch gekonnte Anschnitte, die den Figuren eine noch nie dagewesene Bewegungsfreude und Dynamik verliehen. Als weiteres wichtiges Gestaltungsmittel nutzte Grete Wendt die Farbgebung. Auf den ersten Blick wagt man es manchmal kaum zu glauben, dass die Figuren aus Holz sind. In ihrer strahlenden Farbpracht muten sie beinahe an wie Porzellanfiguren. Doch ein Blick auf den unlackierten Sockel verrät, dass das kleine Meisterwerk eindeutig aus Holz gefertigt ist. Holzkunst in ihrer schönsten Form.

Auf die inneren Werte kommt es an
 

Damit die Farben der Wendt und Kühn-Figuren so wunderbar leuchten, muss das Holz bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die Oberfläche muss glatt sein, feinporig und möglichst ohne Struktur. So kann die Grundierung optimal am Holz haften, und es entsteht ein schöner, sanfter Glanz. Für die Herstellung der Figuren werden hauptsächlich Linde, Ahorn und Buche verwendet - allesamt einheimische Hölzer. Figurenteile, die aufwendig manuell bearbeitet werden - zum Beispiel Engelarme, Hüte oder die Hosen der Blumenjungen - sind aus Linde gefertigt. Linde ist weich, zugleich zäh und setzt der Bearbeitung nur einen geringen Widerstand entgegen. Deshalb ist dieses Holz bei Drechslern seit Jahrhunderten so beliebt. Noch heute kommen für die Wendt und Kühn-Figuren dieselben Hölzer zum Einsatz wie zu Grete Wendts Zeiten: Ahorn für die Engelkörper, Buche für die Beine, Fichte für die Spieldosen von Wendt und Kühn. Letzteres hat einen ganz besonderen Grund: Fichte klingt. Das spürt man schon, wenn man auf ein trockenes Stück Fichtenholz klopft. Schnell durchdringt der Schall das Holz, es entsteht ein intensiver Klang. Deshalb werden die Resonanzböden der Spieldosen aus Fichtenholz gefertigt, ebenso wie die Seitenwände der eckigen Dosen und die kugelförmigen Körper der kleinen Spieluhren. Der Spieldosenkörper wirkt wie ein Verstärker für den Klang des Musikwerks. Ohne diese Resonanzhülle wäre die Melodie kaum hörbar. "Bei uns kommt es vor allem auf die inneren Werte des Holzes an", erklärt Roland Stanzel. "Die Eigenschaften sind entscheidend für die Qualität.

Waldfrisch geschlagen, sägefrisch geliefert

Damit eine konstant hohe Holzqualität gewährleistet werden kann, bezieht Wendt und Kühn das Holz direkt vom Sägewerk. "Waldfrisch geschlagen und im Sägewerk frisch eingeschnitten, wird das Holz in der Manufaktur angeliefert - in genau den Qualitäten und Abmaßen, die für die Fertigung der Figuren erforderlich sind", erläutert Meister Stanzel. Die Holzhändler und Sägewerke wissen genau, worauf das Traditionsunternehmen Wert legt, und sie wählen das Holz speziell für diese Anforderungen aus. "Wir verwenden viele besondere Stärken und Zwischenstärken von neun bis 110 Millimetern", verrät der Holzspezialist. "Wir lassen das Holz passgenau liefern, um möglichst wenig Abfall zu erzeugen. Schließlich tragen wir eine große Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit diesem wertvollen Rohstoff." Ein dreiviertel Menschenleben dauert es, bis Holz nutzbar wird. Deshalb achtet Wendt und Kühn streng darauf, die Ressourcen zu schonen. Späne, Reststücke und sonstige Holzabfälle werden in einer speziellen Späneheizung zu Energie umgewandelt, mit der die Werkstatträume beheizt werden. Und was ist für Roland Stanzel das Schönste am Holz? "Der Duft", verrät er ohne Zögern und erzählt: "Wenn ich im Urlaub bin, vermisse ich diesen typischen Geruch. Und wenn ich dann wiederkomme und in die Werkstatt trete, atme ich ganz tief ein und denke: Ja, so riecht Wendt und Kühn!"

Kleine Holzkunde
 

Jedes Holz hat seine Stärken. Und ganz besondere Eigenschaften, die es für bestimmte Teile oder Bearbeitungstechniken qualifizieren. Warum Linde gut steht und Fichte klingt, erfahren Sie in dieser kleinen Übersicht.
 

Linde - Das traditionelle Holz für Drechsler und Schnitzer. Sehr feinporig, glatte Struktur. Mittelweich und zäh zugleich. Lässt sich sehr gut in alle Richtungen bearbeiten. Die helle, geschlossene Oberfläche eignet sich für eine feine Bemalung. Außerdem ist Linde "standfest", das heißt, sie verändert sich nach der Trocknung nur noch geringfügig.
 

Ahorn - Mittelhart, hell, lässt sich gut maschinell bearbeiten. Wird oft für Engelkörper verwendet. Wie auch Linde und Buche ist der Ahorn ein Reifholzbaum, der keinen sichtbaren Kern ausbildet, weshalb das Holz durch den gesamten Stammquerschnitt eine einheitliche Färbung und Struktur aufweist.
 

Buche - Europas wichtigster Wirtschaftsbaum. Hartholz, lässt sich sehr gut maschinell bearbeiten. Hervorragend geeignet zum Bohren, Sägen, Fräsen, Drechseln. Wird zum Beispiel für Engelbeine, Lichtnäpfe und Köpfe verwendet. Sehr glatt und feinporig, feine Struktur, lässt sich gut bemalen.
 

Fichte - Nadelholz mit sehr guten Resonanzeigenschaften, wird deshalb für die Herstellung der Spieldosenkörper von Wendt und Kühn verwendet. Sehr weich und hell, stark gemasert mit deutlich ausgebildeten Jahresringen.


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